Ehemaliger Gewandhaus-Organist
an der Walcker-Orgel
Bewundernswerte
Souveränität
Matthias Eisenberg ließ das Instrument
im Hans-Sachs-Haus neu erstrahlen
GELSENKIRCHEN. (HeKo) Machtvoll und strahlend erklang
im Hans-Sachs-Haus die Walcker-Konzertorgel in vollem Registerglanz.
Nach einer weiteren Restaurationsstufe zählt dieses Instrument
wieder zu den bedeutendsten Saalorgeln in Deutschland. Der 30jährige
Solist des Abends, Matthias Eisenberg errang als Organist zahlreiche
Erfolge und Preise in nationalen und internationalen Orgelwettbewerben.
Große Orgelkonzertzyklen hat er in der DDR gespielt, etwa das
gesamte Orgelwerk von Bach.
Eisenberg ist als Konzertorganist und Cembalist sowie kirchenmusikalisch
tätig. Von 1980 bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik
im Frühjahr dieses Jahres war er Gewandhausorganist in Leipzig.
Umfangreiche Konzerttätigkeiten im In- und Ausland,. Mitwirkung
bei Internationalen Musikfesten, Rundfunk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen
markieren die Stationen seiner Karriere.
Im Hans-Sachs-Haus
gastierte Eisenberg mit Orgelwerken des 19. Jahrhunderts. Von
Joseph Rheinberger spielte er die Sonate Nr. 4 a-Moll, op. 98.
Im Praeludium sind die gregorianischen Zitate teils akkordisch,
teils über wellenartigen Triolenbewegungen eingebettet in einen
orchestralen Satz. Das Intermezzo bringt in schöner Melodienführung
verschiedene Soloeffekte. Eine chromatische Fuge mit einer Rarität,
einem chromatischen Thema, bildet den Schluß.
Die Orgelwerke von
Johannes Brahms stehen stilistisch außerhalb seiner symphonischen
Sprache und sind barocken Vorbildern verpflichtet. Aus den "elf
Choralvorspielen" op. 122 wählte Eisenberg fünf Titel aus, darunter
die Nr. 10 "Herzlich tut mich verlangen", mit einem breit ausschwingenden
Thema als Gegenstimme zum Choral im Baß und die Nr. 11 "Welt ich
muß dich lassen", mit einer zweimaligen Wiederholung des Schlusses
jeder Zeile als doppeltem Echo.
Von einem der größten
Virtuosen und Komponisten des 19. Jahrhunderts, Franz Liszt, spielte
Eisenberg die "Fantasie über Choral und Fuge Ad nos, ad salutarem
undam". Dieses Werk ist reich an schönen Einzelwirkungen. Die
Fuge am Ende des Werkes erhält ihr Thema aus einer dem militärischen
Genre angepaßten Fassung des Chorals.
Der zweite Teil des
Orgelkonzerts begann mit Felix Mendelssohn-Bartholdys Sonate d-Moll,
op. 65 Nr. 6. Das Werk besteht aus Choralvariationen über den
Choral "Vaterunser im Himmelreich". Auch die Fuge verarbeitet
das Choralthema, während das abschließende Andante lediglich als
stimmungsvoller Ausklang dient. César Franck, der bedeutendste
französische Orgelkomponist des vorigen Jahrhunderts, wirkte nahezu
sein ganzes Leben hindurch als Organist an der Pariser Kirche
St. Clothilde. Von ihm spielte Eisenberg Prélude, Fuge et Variation
h-Moll, ein viel zu selten aufgeführtes zauberhaft anmutiges Werk
aus dem Geist des Rokoko.
An den Schluß des
Programms hatte Eisenberg die Fantasie und Fuge über Bach op.
46 gesetzt. Das oft gespielte Werk, mit dem Reger dem Genius Bach
seine tiefe Reverenz erwies, hat zwei Eigenschaften, die sich
auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen: die kräftige Klammer
des kurzen Themas, das dauernd in Erscheinung tritt, und die ungeheure
Vielseitigkeit, entstanden durch das Aneinanderreihen immer wieder
neuer Gegenstimmen zum Thema.
Der ehemalige Gewandhausorganist
meisterte alle spieltechnischen Tücken mit bewundernswerter Souveränität.
Seine stilgerechte Regierungskunst tat ein übriges, um die faszinierenden
Pfeifenklänge der Walcker-Orgel in ihrer vollen Schönheit ertönen
zu lassen. Souverän war auch die Beherrschung der Manuale und
des Pedals. Alles zeugte von wahrhaft meisterlicher Orgelspielkunst.
Die Hörer - unter ihnen zahlreiche Gelsenkirchener Kirchenmusiker
- dankten mit herzlichem Applaus.
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