Startseite | zurück

  Presseberichte
  Buersche Zeitung, 07.10.1986 (Nr. 232)

Ehemaliger Gewandhaus-Organist an der Walcker-Orgel

Bewundernswerte Souveränität

Matthias Eisenberg ließ das Instrument im Hans-Sachs-Haus neu erstrahlen

 

GELSENKIRCHEN. (HeKo) Machtvoll und strahlend erklang im Hans-Sachs-Haus die Walcker-Konzertorgel in vollem Registerglanz. Nach einer weiteren Restaurationsstufe zählt dieses Instrument wieder zu den bedeutendsten Saalorgeln in Deutschland. Der 30jährige Solist des Abends, Matthias Eisenberg errang als Organist zahlreiche Erfolge und Preise in nationalen und internationalen Orgelwettbewerben. Große Orgelkonzertzyklen hat er in der DDR gespielt, etwa das gesamte Orgelwerk von Bach.

Eisenberg ist als Konzertorganist und Cembalist sowie kirchenmusikalisch tätig. Von 1980 bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik im Frühjahr dieses Jahres war er Gewandhausorganist in Leipzig. Umfangreiche Konzerttätigkeiten im In- und Ausland,. Mitwirkung bei Internationalen Musikfesten, Rundfunk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen markieren die Stationen seiner Karriere.

Im Hans-Sachs-Haus gastierte Eisenberg mit Orgelwerken des 19. Jahrhunderts. Von Joseph Rheinberger spielte er die Sonate Nr. 4 a-Moll, op. 98. Im Praeludium sind die gregorianischen Zitate teils akkordisch, teils über wellenartigen Triolenbewegungen eingebettet in einen orchestralen Satz. Das Intermezzo bringt in schöner Melodienführung verschiedene Soloeffekte. Eine chromatische Fuge mit einer Rarität, einem chromatischen Thema, bildet den Schluß.

Die Orgelwerke von Johannes Brahms stehen stilistisch außerhalb seiner symphonischen Sprache und sind barocken Vorbildern verpflichtet. Aus den "elf Choralvorspielen" op. 122 wählte Eisenberg fünf Titel aus, darunter die Nr. 10 "Herzlich tut mich verlangen", mit einem breit ausschwingenden Thema als Gegenstimme zum Choral im Baß und die Nr. 11 "Welt ich muß dich lassen", mit einer zweimaligen Wiederholung des Schlusses jeder Zeile als doppeltem Echo.

Von einem der größten Virtuosen und Komponisten des 19. Jahrhunderts, Franz Liszt, spielte Eisenberg die "Fantasie über Choral und Fuge Ad nos, ad salutarem undam". Dieses Werk ist reich an schönen Einzelwirkungen. Die Fuge am Ende des Werkes erhält ihr Thema aus einer dem militärischen Genre angepaßten Fassung des Chorals.

Der zweite Teil des Orgelkonzerts begann mit Felix Mendelssohn-Bartholdys Sonate d-Moll, op. 65 Nr. 6. Das Werk besteht aus Choralvariationen über den Choral "Vaterunser im Himmelreich". Auch die Fuge verarbeitet das Choralthema, während das abschließende Andante lediglich als stimmungsvoller Ausklang dient. César Franck, der bedeutendste französische Orgelkomponist des vorigen Jahrhunderts, wirkte nahezu sein ganzes Leben hindurch als Organist an der Pariser Kirche St. Clothilde. Von ihm spielte Eisenberg Prélude, Fuge et Variation h-Moll, ein viel zu selten aufgeführtes zauberhaft anmutiges Werk aus dem Geist des Rokoko.

An den Schluß des Programms hatte Eisenberg die Fantasie und Fuge über Bach op. 46 gesetzt. Das oft gespielte Werk, mit dem Reger dem Genius Bach seine tiefe Reverenz erwies, hat zwei Eigenschaften, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen: die kräftige Klammer des kurzen Themas, das dauernd in Erscheinung tritt, und die ungeheure Vielseitigkeit, entstanden durch das Aneinanderreihen immer wieder neuer Gegenstimmen zum Thema.

Der ehemalige Gewandhausorganist meisterte alle spieltechnischen Tücken mit bewundernswerter Souveränität. Seine stilgerechte Regierungskunst tat ein übriges, um die faszinierenden Pfeifenklänge der Walcker-Orgel in ihrer vollen Schönheit ertönen zu lassen. Souverän war auch die Beherrschung der Manuale und des Pedals. Alles zeugte von wahrhaft meisterlicher Orgelspielkunst. Die Hörer - unter ihnen zahlreiche Gelsenkirchener Kirchenmusiker - dankten mit herzlichem Applaus.

   

 

 

Startseite | oben | zurück