Der Pariser Organist
Philippe Lefèbvre im Hans-Sachs-Haus
Meister der
Improvisationskunst
Freunde der Orgelmusik
erlebten überragenden Virtuosen an der Walcker-Orgel
GELSENKIRCHEN. Wer Orgelmusik in
der Liturgie der Kathedrale Notre-Dame in Paris erleben
durfte, weiß die Qualität und die Anforderungen, die mit dem
Amt des Organisten dort verbunden sind, hoch zu schätzen. Das
Instrument und der gotische Raum bilden eine Herausforderung
an jeden Virtuosen für dieses königliche Instrument. Dem zur
Zeit dort tätigen Philippe Lefebvre, wenn auch in anderer
Umgebung, zuhören zu dürfen, ist etwas Besonderes. Gelegenheit
dazu gab es im Hans-Sachs-Haus, wo Lefebvre an der
Walcker-Orgel sein herausragendes Können mit den spezifischen
klanglichen Mitteln einer Saalorgel vorstellte.
Er bevorzugte ein
eher populäres Programm. Mit dem "Ohrwurm" der Passacaglia und
Fuge c-Moll von Johann Sebastian Bach begann er. Hier legte er
Wert auf eine stets gegenwärtige und klar abgegrenzte
Fundierung des berühmten Themas. Darauf baute er den
improvisatorisch angelegten Überbau.
Mit Felix Mendelssohn-Barthol-dys Sonate III A-Dur, vollmundig
und zartfühlend nachgezeichnet, und Cesar Francks "Cantabile"
und "Piece heroique" knüpfte er eine sehr direkte Verbindung,
die in das Zentrum der französischen Orgelromantik führte.
Unverwechselbar schön und wörtlich genau setzte der Organist
dieses Programm um.
Improvisationen sind des Orgelvirtuosen liebstes Kind.
Vorbilder damals (Bach, Bruckner) wie heute (Wettbewerbe) gibt
es genug. Am Pult der Gelsenkirchener Walcker-Orgel wirkten
schon viele Könner. Ein weiterer Name gesellte sich dazu.
Konrad Schroer brachte aus einer Konferenz der Musikschule
Gladbeck ein herb-liedhaftes Thema mit. Karlheinz Obernier
überreichte den Notentext und Lefebvre startete den Höhepunkt
des Konzerts. Er schnitt Motivteile heraus, entwarf Kontraste,
verfremdete, steigerte, verschob die Ausdrucksebenen,
schüttelte, siebte und unternahm mit dem Thema und seinen
Elementen einen Streifzug durch die Disposition. Selbst die
Rarität der Celesta (Stahlplattenklavier) durfte nicht fehlen.
Er harmonisierte seiner Herkunft gemäß französisch, nutzte die
Freiheit der Dissonanz und münzte sie wohlklingend um in den
harmonisch erweiterten Kosmos unserer Zeit.
Michael Beste |