Die hohe Schule
eines perfekten Chorgesanges
"Bach-Vokalisten" brillierten
im Hans-Sachs-Haus
GELSENKIRCHEN. Die Begegnung mit
den "Deutschen Bach-Vokalisten" unter dem auch als
Orgelvirtuose vorzüglichen Prof. Gerhard Weinberger im
Hans-Sachs-Haus wird allen Bürgern als Ereignis von Rang im
Gedächtnis bleiben. Kritische Worte wären hier Anmaßung.
Weinberger setzte
auf der Walcker-Orgel zwei konträre; doch beziehungsreiche
Marksteine. Für Bachs Toccata, Adagio und Fuge C-Dur stellte
er seine stupende Manual- und Pedaltechnik in den Dienst einer
strukturell betonten Wiedergabe. Dennoch war sein Spiel nicht
von dogmatischer Bläße angekränkelt. Nach Toccata-Brillanz und
sorgsam verzierter Adagio-Melodie zeigte sich die Fuge mit der
lichten Dreiklangsthematik musikalisch befeuert. Dagegen
öffnete Weinberger in Franz Liszts Praeludium und Fuge über
Bach alle Schleusen der Orgelregister zu einem großartigen,
farblich fein abgestuften Klanggemälde.
Besonderes Gewicht
hatten die Beiträge der "Bach-Vokalisten": Bachs
unvergleichliche, zu Recht so berühmte Motette "Jesu, meine
Freude", die Motette "Der Geist hilft unserer Schwachheit auf
und das unerhörte Ansprüche stellende, den üblichen Rahmen
sprengende "Stabat Mater" von Domenico Scarlatti. Wie hier
vorbildliche Artikulation von ausgesucht schönen Stimmen, die
trotz aller solistischen Aufgaben zum idealen Chorklang
fanden, investiert wurde, die Sprache also stets griffig
blieb, wie mit äußerster Perfektion und lockerer Tongebung
schwierige polyphone Strecken dynamisch aufgelichtet wurden
und Weinberger das überlegen steuerte, wie barocker Stil und
Praxis ins Gegenwartsempfinden transferiert wurde —ja, da war
einfach eine hohe Schule des Chorgesangs. Dank gebührt der
veranstaltenden Stadt Gelsenkirchen.
Karl Riebe |