| Konzert mit Gerhard Weinberger
                  und den Bach-Vokalisten"Wohlbestallte
                  Music"Altstadt. Seit der
                  Verlegung der Sinfoniekonzerte in das Musiktheater ist der
                  Saal im Hans-Sachs-Haus in den Hintergrund getreten und wäre
                  wohl als Konzertsaal bald gänzlich in Vergessenheit geraten,
                  gäbe es nicht die Orgelkonzerte. Gerhard Weinberger,
                  Professor für Orgel und Leiter der Kirchenmusikabteilung der
                  Musikhochschule Detmold, und die von ihm geleiteten "Deutschen
                  Bach-Vokalisten" führten ein Programm auf, welches
                  eigenwillige Kontraste zeigte. Zum einen wirken
                  Musiken von so hohem geistlichen Format wie die Motetten
                  "Jesu, meine Freude" und "Der Geist hilft unserer Schwachheit
                  auf" von J. S. Bach oder das "Stabat Mater" von D. Scarlatti
                  in einem Raum, der von Architektur und Atmosphäre der
                  bürgerlichen Musikpflege verpflichtet ist, zunächst
                  befremdlich. Die ausgezeichnete Akustik gibt den Veranstaltern
                  jedoch recht, eine angenehmere läßt sich im Stadtgebiet kaum
                  finden. Zum anderen ordnet
                  sich ein so überschwinglich romantisches und virtuoses Werk
                  wie das "B-A-C-H" von Liszt nur mühsam in ein ansonsten rein
                  barockes Programm ein. Dennoch gelang Weinberger eine in jeder
                  Hinsicht überzeugende Lösung des Problems, indem er die
                  stilistische Verschiedenheit der beiden Musikepochen
                  akzeptierte und seine Spielweise danach richtete; Liszt
                  erklang in weiten Spannungsbögen. Die für die Bachsche
                  Orgelmusik zutreffende, historisierende Spielweise im
                  Non-Legato zeichnete Weinbergers Interpretation des "Toccata,
                  Adagio und Fuge C-Dur" aus, die die Artikulation der
                  musikalischen Figuren in den Vordergrund stellte. Weinberger
                  konnte dies trotz der stumpfen Klangeigenschaften und der
                  extrem ungenauen Traktur der Konzertorgel in bemerkenswerter
                  Weise realisieren. Dem Musizieren
                  nach Erkenntnissen aus dem Studium historischer Quellen haben
                  sich auch die "Deutschen Bach-Vokalisten" verschrieben. Die
                  zahlenmäßige Besetzung entspricht dem Bachschen "Entwurf einer
                  wohlbestallten Kirchen Music" von 1730. Beeindruckend ist das
                  große Potential des Chores angeschulten und ausgezeichneten
                  Stimmen, die einen hervorragenden Gesamtklang ausmachen, wozu
                  aber auch entscheidend die Verwendung männlicher Sänger im Alt
                  beiträgt. Altus-Stimme oder Falsett ist für die barocke
                  Literatur besonders zutreffend, weil sie in dieser Lage mehr
                  Spannung aufwenden muß als eine Frauenstimme und sich so auch
                  von der Intonation her positiv bemerkbar macht. Sehr organisch
                  wirkte auch die solistische Besetzung Altus, Tenor und Baß im
                  Satz "So aber Christus in euch ist" in "Jesu, meine Freude". Das "Stabat Mater"
                  von Scarlatti erscheint dem Ensemble geradezu auf den Leib
                  geschrieben. Immer neue Stimmkombinationen werfen das Licht
                  auf die Qualitäten der einzelnen Sänger. Von der im sehr
                  informativen Programmblatt erwähnten, mit Quellenzitat (Agricola)
                  belegten Singweise, der "Messa di Voce", war allerdings nicht
                  zu hören. Trotzdem: ein wundervolles Konzert, der anhaltende
                  Schlußapplaus hatte seine volle Berechtigung. Karl-Josef Kroll |